Unser Gehirn ist archaisch. Es ist nicht für Geld gemacht, sondern zum Nahrungserwerb, für Flucht, Verteidigung, Fortpflanzung. – Geld? Das gab es in der Menschheitsentwicklung erst sehr spät.
Heißt das, dass wir bei der Geldanlage immer und ausschließlich rational reagieren? Das zumindest bilden wir uns ein. Aber – siehe oben – dafür ist das Gehirn nicht gemacht. Es reagiert auch bei der Geldanlage emotional auf Gewinne und Verluste. Und auf einmal ist die vermeintlich so rationale Entscheidung in den komplexen Finanzmärkten nicht mehr vom präfrontalen Cortex gesteuert, sondern von unserem limbischen System, das die Emotionen verarbeitet, dem „Bauch“.
Tatsächlich konnten die Wissenschaftler, die sich mit Fragen der Neurofinanz befassen, feststellen, dass finanzielle Verluste buchstäblich wehtun, das Schmerzzentrum aktivieren. Und uns so in Kampf oder Flucht treiben, was für die frühen Menschen lebenserhaltend war! – Denken? In diesen Situationen zu langsam! Heute ist unsere geringste Reaktion auf finanziellen Verlust-Schmerz Wut oder Ärger, ein böser Anruf beim Finanzberater. – So lange, bis die Bedrohung als existenziell empfunden wird, die Nebennierenrinde Cortisol ausschüttet und wir in wilde und unkontrollierte Panik verfallen und verkaufen – die Börsenpanik! Verstand? Ausgeschaltet!
Und bei Gewinnen? – Auf die reagiert unser Belohnungszentrum. Wie schön!? Nein, denn die Gewinne wollen wir haben und zwar sofort. Was dazu führt, dass wir Gewinne viel zu früh realisieren und uns die weiteren Gewinne entgehen. Sodass wir in guten Zeiten mit unserer Anlage zu wenig Geld verdienen.
Das alles ist schlecht für unsere Altersvorsorge. Denn langfristige Zukunft gibt es für unser Gehirn nicht. Im Zweifel ist unser limbisches System immer stärker als der Verstand: für die Urmenschen gab es nur Belohnung oder Abwehr von akuten Gefahren.
Können wir dieses Verhalten steuern, um trotzdem erfolgreiche Anleger zu werden?
Ja, das ist möglich: z. b. durch Achtsamkeit. Dadurch, dass wir Gefühle als solche erkennen, uns nicht von ihnen beherrschen lassen sondern mit unserem Verstand reagieren. Sehr schwierig, denn es fällt uns schwer, Gefühle als solche zu erkennen und vom Verstand zu trennen.
Oder wir entscheiden uns für eine Anlagestrategie, die unsere Gefühle ausschließt. Das kann z. B. die Trendfolge-Strategie sein, bei der wir – ohne Gewinne zu realisieren – in einer Anlage bleiben, bis der langfristige Aufwärtstrend gebrochen ist.
Oder es kann die Strategie sein, die wir auch beim ETF-Portfolio anwenden. Da stellen wir das ursprüngliche Gleichgewicht zwischen zwei Anlagen, z. B. Aktien und Renten, wieder her, wenn die Abweichung vom ursprünglichem Verhältnis einen bestimmten Prozentsatz übersteigt. Oder wir tun es zu einem festgelegten Zeitpunkt.
Bei diesen Strategien haben die Emotionen nichts zu suchen – wenn wir unserer Strategie treu sind. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich Ihnen versichern, wie schwer das ist. Denn wir meinen immer wieder, unsere Furcht oder unsere Freude wäre rational. Und sie wäre ja sooo viel klüger wie unsere Strategie. Ist sie aber nicht!
Oder Sie verlassen sich auf Andere – darauf, dass die das Richtige für Sie tun. Was fraglich ist! Denn auch das sind nur Menschen. Und selbst Investmentbanker beherrschen oftmals ihre Emotionen nicht besser als Sie und ich.
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