Steuerhinterziehung hat unabhängig von der Höhe des Einkommens und Vermögens viele Jahre lang als Kavaliersdelikt, ja nahezu als Volkssport gegolten. Allerdings hatten hierzu Gerichte, Bundesregierung und Parlament nach Kräften beigetragen! Denn als Anfang der 90er Jahre die Quellensteuer auf Kapitaleinkünfte eingeführt wurde, haben nahezu alle Banken in Großanzeigen in Tagespresse und Zeitschriften für die Anlage bei ihren Tochtergesellschaften in Luxemburg und der Schweiz geworben. Jeder wusste damals, dass dies ein Angebot war, Vermögen in diese Länder zu verlagern und damit der Quellenbesteuerung zu entziehen – und natürlich auch der abschließenden Einkommenbesteuerung. Zu Deutsch: es waren Aufforderungen zur Steuerhinterziehung!
Und keiner hat dies damals laut und deutlich gesagt: Nicht die Richter des Bundesfinanzhofes oder Bundesgerichtshofes, nicht der Finanzminister oder Bundestagsabgeordnete. Schon damals war ich sehr verwundert darüber, dass der – trotz allem häufig unbedarfte – Bürger nicht unmissverständlich darauf hingewiesen wurde, dass diese Maßnahmen Steuerhinterziehung und damit strafbedroht sind! In mehreren Entscheidungen hat das zwischenzeitlich in den vergangenen Jahren der BGH (Bundesgerichtshof) nachgeholt. Dabei kristallisiert sich eine Tendenz heraus, die für den ein oder anderen irritierend sein mag. Denn es werden konkrete Schwellenwerte für die Strafzumessung bei Steuerhinterziehung genannt. Während diese in der Entscheidung vom02. Dezember 2008noch relativ „großzügig“ waren, wurde die Schraube im aktuellsten Urteil vom 07. Februar 2012 ein ganzes Stück angezogen.
Nach der Entscheidung vom 02. Dezember 2008 war bei einem Hinterziehungsbetrag von mehr als € 50.000,– in der Regel eine Freiheitsstrafe zur Bewährung zu verhängen, insbesondere dann, wenn der Täter z. B. im Rahmen von Umsatzsteuererstattungen ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erhalten habe. Bei einer bloßen Gefährdung des Steueranspruches z. B. durch Nichtangabe von Einkünften, gelte jedoch eine Wertgrenze von € 100.000, – . Dies bedeutet, dass erst bei einer Steuerhinterziehung von mehr als € 100.000,– eine Freiheitsstrafe verhängt werden sollte, die jedoch zur Bewährung auszusetzen wäre, sofern die Hinterziehung z. B. darin bestand, dass Einkünfte nicht angegeben wurden.
In der aktuellsten Entscheidung vom 07. Februar 2012 hat der BGH nun festgehalten, dass auch unterhalb der Millionengrenze die Vollstreckung von Haftstrafen angemessen sein kann, zumindest bei Steuerhinterziehung im oberen 6-stelligen Bereich. Und für geringere Beträge gilt: es muss damit gerechnet werden, dass bereits bei Hinterziehungsbeträgen ab
€ 50.000,– eine Freiheitsstrafe zur Bewährung verhängt werden kann – unabhängig davon, auf welche Weise dieser Betrag hinterzogen wurde! Hierzu gibt es zwar noch keine eindeutige Entscheidung. Es ist jedoch offenkundig, dass der Erste Strafsenat des BGH das Steuerstrafrecht weiter verschärfen will. Denn noch immer ist die Strafwürdigkeit der Steuerhinterziehung nicht in das Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise eingedrungen. Dies möchte der BGH ändern.
Die genannten Beträge gelten übrigens für einen Zeitraum von 10 Jahren, der regelmäßig bei Fragen des Steuerstrafrechtes berücksichtigt wird, nicht nur für einen Zeitraum von 3 Jahren, wie bei der Betriebsprüfung. Für alle diejenigen, die keine völlig weiße Weste haben, kann es also geraten sein, zu überprüfen, ob die Selbstanzeige und Zahlung der hinterzogenen Steuern vermutlich – nach Fachliteraturmeinungen nicht der sicherere Weg ist. Dieser Weg dürfte allerdings nach neuesten Entscheidungen versperrt sein, wenn das Geld im Ausland bei einer Bank liegt, über die Steuer-CD’s von der Finanzverwaltung bereits aufgekauft wurden.
Und auf das Steuerabkommen Deutschland-Schweiz (vgl. unser Artikel vom27. März 2012in der Rubrik Steuern dieses Blogs, „Ein Dauerbrenner in der öffentlichen Diskussion“), sollte man sich nicht verlassen! Denn nach dem aktuellen Stand der Diskussion muss mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass dieses Steuerabkommen im Bundesrat von einer Mehrheit der Bundesländer torpediert wird. Was möglicherweise zum weiteren Ankauf von Steuer CD’s führt!
Stand: 28.09.2012